Klapprad ahoi

Saarbrücker Zeitung, 2. Juli 2003
Ein Klassiker ist wieder da: Besonders in der Pfalz

Von TOBIAS WIETHOFF

Saarbrücken. Wahrscheinlich fing alles damit an, dass Anne Karategin, Jahrgang 1969, von ihren Eltern kein Bonanza-Rad geschenkt bekam. Der unerfüllte Jugendwunsch schwelte untergründig im Erwachsenenleben weiter und äußerte sich Mitte der neunziger Jahre mit unabweisbarer Wucht: Anne Karategin musste ein Bonanza-Rad haben. „Das gab es damals nur noch auf dem Sperrmüll, alle haben mich ausgelacht.“ Endlich im Besitz des ulkigen Kult-Gefährts entdeckte die Düsseldorferin ihre Leidenschaft für eine weitere Errungenschaft der 70er: das Klapprad.

Inzwischen besitzt die Soziologin aus Düsseldorf fünf fahrtüchtige Modelle und hat nebenbei gemeinsam mit einer Fotografin 300 Bilder von Klapprädern zusammengetragen: mit und ohne Besitzer, in Aktion oder als Stillleben. Sie sind in Ausstellungen zu sehen und auf Karategins Web-Seite www.klapprad.de.

Klappräder sind wieder in – Karategin merkt es an den Zugriffen auf ihre Internet-Seite, bis zu 500 pro Tag, und an den Menschen, die sich mit ihrem teilbaren Rad ablichten lassen. „Anfangs zeigten die Fotos überwiegend Rentner. Inzwischen werden sicher zwei Drittel der Klappräder von jungen Leuten gefahren.“ Viele Kreative in den Berliner Szene-Vierteln bewältigen ihre täglichen Wege am liebsten mit dem Klapprad, bevorzugt der Marke Mifa aus DDR-Produktion. Es gilt der Merkspruch: „Ein bisschen Rohr, ein bisschen Draht, fertig ist das Mifa-Rad“. Aber auch für alte West-Modelle lassen sich in Online-Auktionshäusern sogar bei deutlichen Rostansätzen gut und gerne 50 Euro erzielen.

Am höchsten ist die Klapprad-Konzentration aber nicht in den Metropolen, sondern in der Pfalz – zumindest an einem Tag im Jahr. Am 6. September wird zum zwölften Mal der so genannte Kalmit-Klapprad-Cup ausgefahren. Die Initiatoren, Radbegeisterte aus der Umgebung von Speyer, suchten nach der mühsamsten Methode, den Anstieg auf die 673 Meter hohe Kalmit zu bewältigen – und kamen auf das Klapprad. „Auf ihm zeigt ein Mann, dass er ein richtiger Mann ist“, heißt es auf der Internet-Seite www.kalmit-klapprad-cup.de. Schließlich ist den schmalbrüstigen Oldtimern eine Gangschaltung fremd.

Das Klapprad ist fast so alt wie das Fahrrad selbst. Schon 1878 wurde das erste Patent beantragt. Allerdings mussten für die Demontage dieses Urtyps rund zehn Minuten veranschlagt werden, einschließlich der Dreiteilung des mächtigen Vorderrades. Die Geschichte des modernen Klappfahrrades begann mit der Suez-Krise Mitte der 50er Jahre. Die in ihrer Folge von der britischen Regierung verhängte Benzin-Rationierung rief den Konstrukteur Alex Moulton auf den Plan, der 1959 sein erstes zerlegbares Fahrrad vorstellte: ein Meisterwerk mit Hochdruckreifen und Vollfederung.

Die Idee, das Fahrrad kofferraumgerecht zu verkleinern, fiel im Mobilitätsrausch der 60er und frühen 70er Jahre auf fruchtbaren Boden. Allerdings hatten Moultons Modelle einen Nachteil: Sie waren teuer – und sind es mit Preisen von bis zu 10000 Euro (!) heute noch. Großserienhersteller brachten günstigere Klappräder auf den Markt, die außer einem Scharnier am Rahmen keinerlei technische Besonderheiten aufwiesen. „Diese Klappräder hießen Klappräder, weil sie klapperten“, umschreibt Gunnar Fehlau, Fachbuchautor aus dem westfälischen Verl, die Qualität der Billigmodelle.

Mit ihrer Hilfe erreichte das Klapprad auf dem Höhepunkt seiner Verbreitung im Jahr 1975 einen Marktanteil von 35 Prozent. Doch die Mode konnte die qualitativen Schwächen nicht lange überspielen, und bald erkannte man das Klapprad als das, was es in seiner Mehrheit auch war: als primitives Vehikel mit Sollbruchstelle. „In den 80er Jahren war das Klapprad mausetot“, so Fehlau.

Dass ihm seit einigen Jahren ein Comeback beschieden ist, hängt nicht nur mit dem Kult um die 70er Jahre zusammen. Jenseits aller Retro-Wellen begannen kleine Fahrrad-Manufakturen Anfang der 90er Jahre, an die Idee Moultons anzuknüpfen. Motor dieser Bewegung war nicht das Vorankommen um jeden Preis, sondern die Freude am Radfahren. „Im allgemeinen hat jedes Klapprad andere Stärken“, sagt Experte Fehlau. Das „Brompton“ aus Großbritannien etwa gilt als Faltwunder, das deutsche „Bernds“ ist mit seinen 20-Zoll-Rädern besonders laufruhig, das „Frog“ von Riese und Müller macht sich mit Zwölf-Zoll-Rädern extrem klein. In der Regel sind diese High-Tech-Maschinen erst ab 1000 Euro zu haben. Gunnar Fehlau beobachtet aber in letzter Zeit eine ähnliche Entwicklung wie vor 30 Jahren: Klappräder halten als Sparversion Einzug in Bau- und andere Discountmärkte.

Hoja, Hoja, Ho! Auch die Schlagerlegende Tony Marshall, Superstar der 70er Jahre, nutzte ein Klapprad zu Werbungszwecken. 1975 war mehr als jedes dritte in Deutschland verkaufte Fahrrad klappbar.
FOTO: ACTION-PRESS